Stefan Kötz hält Vortrag vor den Kölner Münzfreunden
Zum Münzgespräch im September 2024 hatte der 1. Vorsitzende Bernd Offermann einen besonderen Referenten nach Köln holen können: Vor den Kölner Münzfreunden hielt Stefan Kötz den Hauptvortrag des Abends. Der in der Nähe von Tübingen beheimatete Kötz ist seit Mai 2014 Wissenschaftlicher Referent (Kurator) für das Münzkabinett des LWL-Museums für Kunst und Kultur / Westfälisches Landesmuseum in Münster (www.lwl-museum-kunst-kultur.de) und seit 2017/18 zugleich Referent für Münzfundpflege bei der LWL-Archäologie für Westfalen. Neben dieser Hauptberufung ist er zudem ehrenamtlicher Vizepräsident der Deutschen Numismatischen Gesellschaft.
Die Idee zur Vortragsanfrage entstand, weil Mitglied Horst Krämer aus Köln-Porz den Münzfreunden großzügig seine vollständige Sammlung der verausgabten Notmünzen aus der Provinz Westfalen geschenkt hatte. Vorsitzender Bernd Offermann fragte daraufhin Stefan Kötz, den Experten für die Numismatik Westfalens schlechthin, an. Dieser machte auf dem Weg aus seiner Heimat im Süden zur Arbeit nach Norden gerne in Köln Station. Leider konnte der Spender der Sammlung den Vortrag nicht mehr selbst erleben, weil Krämer Mitte 2024 verstorben war.
Stefan Kötz betrachtete in seinem Vortrag nicht nur die Ausgabe der bekannten Münzen, die im engeren Sinne als Andenken-Medaillen zu bezeichnen sind, sondern nahm auch die vorangehenden und flankierenden Papiergeldausgaben in den Blick. Dadurch konnte er die sehr bekannten Notmünzen in die turbulente Zeit- und Wirtschaftsgeschichte der preußischen Provinz Westfalen einbinden.
Seine numismatische Reise begann Kötz im Jahr 1914. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs war die Mark von einer Gold- zu einer Papierwährung geworden. Sofern staatliche Stellen der umlaufenden Edelmetalle nicht habhaft werden konnten, wurden die Münzen von den Menschen sofort gehortet. Andererseits verlangte der Aufmarsch der Truppen an Deutschlands Grenzen im Westen und Osten einen hohen Kleingeldbedarf. Dieser konnte schon im Sommer 1914 nur durch die Ausgabe von (kommunalem) Papier-Notgeld befriedigt werden. Dem zunehmenden Einzug der Kleinmünzen aus Kupfer und Nickel stand die nicht bedarfsgerechte Ausgabe von Ersatzmünzen aus Aluminium, Eisen und Zink gegenüber. Die Lücke wurde mit zunehmender Kriegsdauer durch immer mehr zusätzliche, lokale Münz- und Papiergeldausgaben geschlossen. Gesetzliche Grundlagen existierten nicht und das Finanzministerium hatte – bei unkontrolliert laufender Notenpresse zur Kriegsfinanzierung auf Reichsebene – große Mühe, die Ausgabe des Notgelds durch eine Vielzahl unzureichend autorisierter Stellen zu kontrollieren. Die Inflation nahm nach dem verlorenen Krieg weiter Fahrt auf. Von Mitte 1922 an geriet sie völlig außer Kontrolle, bevor sie im Herbst 1923 bei einem Kurs von 1 US-Dollar zu 4,2 Billionen Mark stabilisiert werden konnte und die neue Rentenmark mit 1 Billion Papiermark verrechnet wurde. Deutschlands Kriegsschulden waren dadurch nur noch 16 Pfennige wert!
Die unterschiedlichen Wertstufen der Notmünzen der Provinz Westfalen zeigen diese Entwicklung deutlich. Einige wenige Wertstufen mögen in geringem Umfang als Umlaufgeld gedient haben. Genaue Unterlagen sind bei der Westfälischen Landesbank durch Kriegsverluste verloren gegangen. Die weitaus meisten Münzen jedoch waren von Anfang an als Geschenk- oder Erinnerungs-Medaillen gedacht. Davon zeugen die vielen in bester Erhaltung auf uns gekommenen Exemplare. Mit einer teilweisen Vergoldung wurde in Größe und Anmutung Referenz auf das goldene 20-Mark-Stück aus der Zeit des Kaiserreiches genommen. Das die Werte nach oben abschließende Stück zu 1 Billion Mark 1923 wurde erst 1924 geprägt, versilbert und patiniert. Viele Stücke finden sich noch heute in den damaligen Verkaufsverpackungen, teils mit patriotischen Beipackzetteln versehen.
Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein, entschiedener Gegner der Franzosen in den Befreiungskriegen, wurde als Symbol ganz bewusst der Besatzungsmacht entgegen gehalten, die zum Zeitpunkt der Münzausgabe im Rheinland und Teilen Westfalens stand. Stein hatte zudem lange in Westfalen gelebt und war dort 1831 gestorben. Annette Freiin von Droste zu Hülshoff wiederum war eine der bedeutendsten deutschsprachigen Dichterinnen des 19. Jahrhunderts. Sie stammte aus einem der ältesten Adelsgeschlechter Westfalens und wurde als weitere Identifikationsfigur auf die Notmünzen gesetzt. Als gemeinsame Rückseite findet sich das Westfalenross mit aufragendem Schweif. Die Münzen wurden in der Metallwaren-Fabrik Wilhelm Deumer in Lüdenscheid hergestellt. Weitere Hersteller saßen in Menden sowie Nürnberg (L. Chr. Lauer). Die Bildseite der Stein-Münzen und die Rückseite schuf der Medailleur Rudolf Bosselt, die Bildseite der Droste-Hülshoff-Münzen entwarf der westfälische Bildhauer Anton Rüller (1864–1936). Rüller hatte die Dichterin schon vorher in Denkmälern verewigt.
Armin Müller
Kölner Münzfreunde, Numismatisches Kolloquium, jeden 3. Dienstag im Monat, 18–20 Uhr, Kölnisches Stadtmuseum, Minoritenstraße 13, 50667 Köln, separater rückwärtiger Gebäudeeingang.
Infos: https://muenzfreunde.koeln oder bernhard.offermann@muenzfreunde.koeln.